Archiv für den Monat: März 2025
DT64-Buch: Ppppower!
Rezensionen/Besprechungen:
* Ein paar Wendezeitideen für die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks | Mandy Tröger, Berliner Zeitung, 09.12.2024, €
* 60 Jahre DDR-Jugendsender DT64 – Wellen des Widerstands | Alexander Teske, taz, 16.12.2024
* DT64: »Je unruhiger die Zeiten, desto unruhiger wurden auch wir« | Luca Glenzer, Neues Deutschland, 23.12.2024
* Buchtipp: Power von der Eastside | Redaktion, M – Menschen Machen Medien, 17.01.2025
* Es war einmal…ein Jugendsender: DT64 – „Power von der Eastside!“ | Wolf-Dieter Roth, radioszene.de, 16.02.2025
* DT64: Die Power von der Eastside kehrt zurück | Redaktion, OSTDEUTSCHLAND.INFO, 26.02.2025
* Rezension | Karsten Zimalla, Westzeit, 01.03.2025
Power von der Eastside!
Jugendradio DT64 – Massenmedium und Massenbewegung
Heiko Hilker / Alexander Pehlemann / Andreas Ulrich / Jörg Wagner (Hg.)
Vom Sonderstudio zum Social Radio
VÖ: 06.12.24, hier bestellbar
Entstanden 1964 zum Deutschlandtreffen der Freien Deutschen Jugend, entwickelte sich das DDR-Jugendradio DT64 zunächst als »Jugendstudio« und ab 1986 als eigenständiger Sender zur wichtigsten Stimme der subkulturell interessierten DDR-Jugend. Der Sender überlebte die DDR und sogar die für 1991 geplante Abschaltung, wofür eine extrem engagierte Hörer:innen-Bewegung kämpfte – die zunächst teils siegte, letztlich aber scheiterte.
Unter dem Eindruck dieser Dramatik beschrieben diverse Insider und Außenstehende in »DT64 – Das Buch zum Jugendradio 1964–1993«, herausgegeben von den Ex-DT64-Journalisten Jörg Wagner und Andreas Ulrich, die wesentlichen Kapitel der DT64-Geschichte. Das Buch war schnell vergriffen und wird nun anlässlich von 60 Jahren DT64 endlich wieder zugänglich.
»Power von der Eastside!«, das einen zum Kampf-Slogan gewordenen Jingle zitiert, ist eine Neuauflage, die in ihrer Erweiterung das ursprüngliche Buch inhaltlich fortschreibt und es um weitere Abbildungen und Materialien ergänzt.
Mit Beiträgen von: Jürgen Balitzki, Kurt Biedenkopf, Ralf Bieniek, Marion Brasch, Thomas Braune, Lutz Deckwerth, Christoph Dieckmann, Michael Flämig, Heiko Hilker, Rex Joswig, Alex Körner, Olaf Leitner, Bernhard Mehnke, Wolfgang Mühl-Benninghaus, Harald Müller, Thomas Müller, Kalle Neumann, Alexander Osang, Alexander Pehlemann, Pit Plicka, Moritz von Rappard, Dietmar Ringel, Roland Schneider, Lutz Schramm, Hans-Jörg Stiehler, Andreas Ulrich, Gerlinde Voß, Anita Wagner, Jörg Wagner, Olaf Zimmermann
Wie der MDR bei DT64 und Sputnik die redaktionelle Freiheit einschränkte
Als ich Anfang der Neunziger beim abwicklungsbedrohten Jugendradio DT 64 arbeitete, Features baute, irgendwann samstags die »Rasch-Hour« moderieren durfte und im Wechsel mit anderen einen hart linken satirischen Wochenrückblick produzierte, habe ich keine Politik gemacht. Der Job selbst war Politik, ein Rückzugsgefecht gegen die neuen Verhältnisse im Osten, hoffnungslos, aber schön wie ein Schlachtengemälde. Noch bevor DT gänzlich enthirnt wurde, ging ich 1993 freiwillig.
Auslöser war eine harmlose Nummer auf Kosten des korrupten CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl. Ich hatte in seinem Statement „Ich bin nicht bestechlich. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht bestechlich bin“ beide Male das „nicht“ herausgeschnitten. Eine normale Übung in einer Satiresendung, aber der Wellenchef verdonnerte mich dazu, künftig die fertige Sendung zwei Tage vor Ausstrahlung zum Zensieren abzuliefern. Unannehmbar. Die Belegschaft war inzwischen des Kämpfens müde und nahm es hin, dass Jugendradio DT 64 in MDR Sputnik umbenannt werden sollte. […]
1995 kam ich zurück zum inzwischen glattgebügelten Nachfolger Sputnik, der nach Halle verpflanzt worden war. Ich war arbeitslos und brauchte Geld, und so habe ich dort eine Zeitlang die Frühsendung moderiert. Bis ich eines Morgens ein anzügliches Stück über Helmut Kohl im Clinch mit Antje Vollmer brachte und dafür wieder einbestellt wurde. Ich dürfe ab sofort immer erst nach neun Uhr senden, nachdem mein vollständiges Sendemanuskript geprüft und genehmigt worden sei, wie es bei Sputnik bei allen anderen Tages-DJs schon länger Pflicht war. Ich lehnte ab, schmiss im »Nö« eine Abschiedsfeier und fuhr zurück nach Berlin. Man muss sich das vorstellen: Beim »demokratischen« Nachfolger des DDR-Jugendsenders saß den ganzen Tag ein Controller hinter der dicken Scheibe und blökte dem DJ über die Kommandotaste Anweisungen zu! Als Frank Aischmann das erste Mal vor der Sendung sein Skript abgeben sollte, knallte er dem Controller ein ganzes Paket Druckerpapier auf den Tisch, auf jeder Seite stand nur ein Wort. Er ist wie alle mit Rückgrat bald gegangen.
Pierre Deason-Tomory
junge-welt.de, 15.08.2023 (online)
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors auch hier 2025 in Auszügen veröffentlicht)