„Jenz Steiner spricht mit Jürgen Kuttner über eine sehr bewegte Zeit, über seine Zeit bei Jugendradio DT64, Rockradio B und der taz Ost. Viel war möglich in den Jahren 1989 bis 1993. Jürgen Kuttner hat in der frühen Nachwendezeit im Hörfunk eine Form von Radio entwickelt, die bis dahin weder im staatlichen Rundfunk der DDR noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Bundesrepublik denkbar war. Talkradio, Hörspielschnippsel, Archivmaterialfetzen und Schallplatten aus der Mottenkiste statt Werbezielgruppen-Formatradio nach Marketinggesichtspunkten. Was Kuttner in den Studios in der Nalepastraße damals produzierte, war neu und einzigartig.“
Wer:
* Dr. Jürgen Kuttner, Kulturwissenschaftler, Ex-taz’ler, Theater- und Radioperformer
* Jenz Steiner, Interviewer Was: Gespräch über DT64, Rockradio B und die Ost-taz Wann: rec. Mai, 2014, DT64-Festival „Return to Sender“ Wo: Berlin, Kino Babylon
Riders Connection vor dem Berliner Kino Babylon, dem Treffpunkt für DT64-Fans und -Macher, 50 Jahre nach der Gründung dieses Radioprogramms, das als „Sonderstudio Deutschlandtreffen“ begann. rec.: 08.05.2014
Während des DT64-Festivals im Berliner Kino Babylon rund 50 Jahre nach der ersten Sendung erlebte diese DT64-Doku von Stephan Kühnrich am 08.05.2014 um 15 Uhr ihre Preview-Aufführung. Vgl.: Inhaltsangabe
Vom 15. bis 18. Mai 1964 sendete der Rundfunk der DDR ein Sonderprogramm zum „Deutschlandtreffen der Jugend“ in Berlin. Die große Resonanz auf diese Sendungen mündete in das Nachmittagsmagazin „Jugendstudio DT64“, das vom 29. Juni 1964 an regelmäßig im Berliner Rundfunk lief. Zwischen 1981 und 1987 wurde daraus schließlich ein ganztägiges fünftes Programm aufgebaut.
Der somit bevorstehende 50. Geburtstag führte zu erneutem Interesse am Thema DT64. Allerdings scheint es sich dabei in größerem Maße um jene Spielart der Ostalgie zu handeln, die sich bereits 2013 in umfangreichen Beiträgen über die Serie von Konzerten äußerte, die 1988 in Berlin-Weißensee stattfand. In diesem Zusammenhang bemerkt ein Fernsehprofi zu vor kurzem ausgestrahlten Sendungen über die Jugendkultur in der DDR: „Die gezeigten Filmschnipsel sind allesamt weitestgehend bekannt.“
Ins Auge fällt dabei einmal mehr, wie DT64 als alleinstehendes Phänomen gesehen wird, ohne den Gesamtkontext des Rundfunks in der Berliner Nalepastraße zu betrachten. Besonders interessant ist dann der Umgang mit der Umbenennung von DT64 in MDR Sputnik (entgegen anderen Darstellungen handelte es sich um eine solche, vollzogen zum 1. Mai 1993). Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, wie Details der Geschichte des Rundfunks der DDR auch in Bezug auf die heutige Medienlandschaft interessanter sind, als es im ersten Moment scheinen könnte.
Weitgehend ignoriert werden bei alldem die Änderungen, die bereits vom Herbst 1990 an im Programm von DT64 vorgenommen wurden. Sie äußerten sich im Verschwinden erheblicher Teile des Wortprogramms und im September 1991 dann auch einer deutlichen Änderung der Musikfarbe.
Was dabei offensichtlich verdrängt wird ist der Umstand, wie hier bereits jene Entwicklungen begannen, die nach der Übernahme des Programms durch den Mitteldeutschen Rundfunk schließlich in deutliche Kritik des bisherigen Publikums mündeten. Charakteristisch dafür ist eine zufällige Runde, die sich Ende 1993 am Rande einer Produktion des Deutschlandsenders Kultur in das still daliegende Studio K13 zurückzog und dort „wir interessieren den Sender nicht mehr“ konstatierte.
Auffällig ist überdies, wie wenig im Vorfeld des anstehenden Geburtstags von den Mitarbeitern des „alten“ DT64 die Rede ist. Dem Vernehmen nach wollen diese das Jubiläum durchaus begehen – ohne die Öffentlichkeit, in den verbliebenen Räumen des Funkhauses Nalepastraße.
Es würde dabei auch abseits der Realitäten liegen, Formulierungen wie „unvergessen“ zu verwenden. Dies zeigt beispielhaft der Fall zweier Moderatoren der ersten Stunde, Karl-Heinz „Kalle“ Neumann und Gretel Ortner. Der Tod von Kalle Neumann vor rund einem Jahrzehnt blieb unbekannt, bis Veteranen des Berliner Rundfunks gezielt befragt wurden. Gretel Ortner schließlich ist selbst aus dem Gesichtsfeld dieses harten Kerns spurlos verschwunden.
Öffentlich gewürdigt wird der bevorstehende 50. Geburtstag von DT64 mit einer dreitägigen Veranstaltung im Berliner Kino Babylon. In diesem Rahmen gibt es Konzerte sowie sich teilweise wiederholende Vorführungen von Filmen und Archivmaterial. Hinzu kommen einzelne Diskussionsrunden mit Gästen aus dem Kreis jener Personen, die überhaupt noch an dieses Thema erinnert werden wollen (was eher die Ausnahme als die Regel zu sein scheint).
Auch über den Veranstaltungsort hinaus wirksam wird dieses Festival mit einem Sonderprogramm vom 8. Mai, 6.00 Uhr, bis zur Nacht zum 11. Mai, 2.00 Uhr. Terrestrisch zu hören sein wird dieses Programm allerdings nur am ersten Tag ab 19.00 Uhr, und zwar im Rahmen des Sendeplatzes von Pi-Radio im Sammelkanal „88vier“ der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.
„88vier“ läuft auf UKW nur in Mono, was ironischerweise wieder an einen Aspekt von DT64 erinnert, nämlich das Problem fehlender Übertragungsleitungen, durch das auch noch 1986 in Teilen der DDR nur in Mono gesendet werden konnte. Speziell dort, wo BRD-Sender problemlos in Stereo zu empfangen waren, wirkte das zu diesem Zeitpunkt nur noch peinlich. Entsprechend übte das Staatliche Komitee für Rundfunk anscheinend massiven Druck auf die Deutsche Post aus, um eine durchgängige Stereoverbreitung von DT64 durchzusetzen.